von Priv.-Doz. Dr. med. Hans Albert Beiler
Bauchwandbrüche, auch Hernien genannt, sind im Kindesalter in der Regel angeboren und mit den Bauchwandbrüchen im Erwachsenenalter meistens nicht vergleichbar. Der Entstehungsmechanismus ist unterschiedlich und hat im Kindesalter nichts mit Überlastung der Muskulatur oder mit einer Bindegewebsschwäche zu tun. Darum unterscheiden sich auch die Therapie und die Prognose der Bauchwandbrüche im Kindesalter deutlich von dem Vorgehen im Erwachsenenalter. Netzimplantate aus künstlichen Materialien werden im Kindesalter nur bei ausgedehnten Bauchwandbrüchen (z. B. bei Gastroschisis und Omphalozele) oder angeborenen Zwerchfellhernien verwendet, wenn diese nicht mit körpereigenem Material gedeckt werden können. Künstliche Netze wachsen nicht mit und man implantiert nur ungern Fremdmaterial, das für Jahrzehnte im Körper des Kindes verbleiben soll.
Als Ursache für die häufigeren Bauchwandbrüche im Kindesalter findet sich meist ein fehlender Verschluss von während der Schwangerschaft notwendigen Bauchwandlücken, wie dem Nabel oder von physiologischen Ausstülpungen des Bauchfells, wie den Hodenhüllen beim Jungen. Jungen sind daher auch wesentlich häufiger betroffen als Mädchen. Bei Frühgeburten treten Bauchwandbrüche ebenfalls häufiger auf, als bei reifgeborenen Kindern. Die meisten Bauchwandbrüche im Kindesalter machen zunächst keine akuten Beschwerden. Häufig fällt den Eltern nur eine sichtbare Vorwölbung an der Bauchwand, dem Nabel oder der Leistenregion auf, ohne dass das Kind dabei Schmerzen hat. Die Nabelbrüche sind in der Regel harmlos. Anders dagegen die Leistenbrüche, die Einklemmen können. Auch die epigastrischen Hernien machen eher diffuse Beschwerden. Sonderformen wie die Zwerchfellhernien, Omphalocelen und die Gastroschisis werden meist vor der Geburt durch Ultraschall entdeckt und direkt nach der Geburt versorgt.
Die typischen Bruchformen sind:
Bei den angeborenen kindlichen Leistenbrüchen hat sich der Processus vaginalis peritonei, eine Ausstülpung des Bauchfells in den Leistenkanal nicht spontan verschlossen. Da beim Jungen der Hoden durch den Leistenkanal wandert und einen Teil des Bauchfells als Hülle mit sich nimmt, sind Jungen wesentlich häufiger als Mädchen betroffen, bei denen nur das Mutterband, ein dünner Bindegewebsstrang im Leistenkanal liegt. Die Bruchentstehung hat also nichts mit Belastung zu tun. Allerdings treten Leistenbrüche gerne erstmals bei Infekten mit starkem Husten auf. Gefahr besteht
nur, wenn ein Leistenbruch einklemmt. Dabei schiebt sich ein Stück Darm in den Bruch und verklemmt sich im engen Leistenkanal. Es kommt zu akuten Schmerzen und es besteht die Gefahr, dass der eingeklemmte Darm nicht richtig durchblutet wird und abstirbt. Deswegen sollten kindliche Leistenbrüche zeitnah nach ihrer Entdeckung operativ versorgt werden.
Nabelbrüche sind angeborene Bauchwandbrüche, durch die das Kind während seiner Entwicklung im Mutterleib über die Nabelschnurgefäße ernährt und mit Sauerstoff versorgt wird. In der Regel verschließen sich diese Bauchwandbrüche kurz nach der Geburt und die Nabelschnur fällt ab. Bei manchen Kindern dauert dieser Vorgang länger. Da Nabelbrüche nicht einklemmen, kann bis zum Ende des zweiten Lebensjahres zugewartet werden. Hat sich der Nabelbruch bis zu diesem Zeitpunkt nicht geschlossen, ist ein Spontanverschluss nicht mehr zu erwarten.
Epigastrische Hernien können bereits bei Geburt vorhanden sein oder im Verlauf des Lebens auftreten. Es handelt sich um kleine Bauchwandbrüche in der Muskelhaut zwischen den geraden Bauchmuskeln. Man findet sie zwischen dem Nabel und dem unteren Ende des Brustbeins. Sie können zu diffusen Oberbauchschmerzen führen, da sich durch die kleinen Bauchwandbrüche präperitoneales Fettgewebe vorwölbt.
Bei den Zwerchfellbrüchen besteht eine Lücke im muskulären Zwerchfell, das die Bauchhöhle von der Brusthöhle trennt. Bei großen Bauchwandbrüchen kann die Lunge verdrängt und die Atmung des Neugeborenen behindert werden.
Omphalocelen sind sehr große Bauchwandbrüche im Nabelbereich mit zusätzlichem Vorfall von Organen, häufig der Leber, in den Bruchsack. Dadurch ist in der Regel die Bauchhöhle selbst zu klein und es bestehen sehr oft begleitende Missbildungen.
Bei der Gastroschisis hat sich die Bauchdecke im Mutterleib nicht geschlossen und die Darmschlingen liegen bei Geburt frei. Diese Kinder sind durch die Ultraschalluntersuchungen während der Schwangerschaft meist schon vor der Geburt bekannt und werden notfallmäßig in spezialisierten Kliniken sofort nach der Geburt operativ versorgt.
1. Therapie des Leistenbruchs
Ein kindlicher Leistenbruch stellt immer eine Operationsindikation dar. Eine Spontanheilung ist nicht zu erwarten. In der Regel werden die kindlichen Leistenbrüche über einen kleinen Hautschnitt in der Leiste verschlossen. Bauchwandbrüche Die Operation ist bei ansonsten gesunden Kindern ab 6 Monaten ambulant möglich. Netzimplantate wie beim Erwachsenen sind nicht notwendig. Rezidive sind extrem selten. Neben der erprobten Standardmethode gibt es noch einige Zentren, die kindliche Leistenbrüche auch laparoskopisch versorgen. Welche Methode für Ihr Kind geeignet ist, besprechen Sie am Besten mit dem Operateur Ihres Vertrauens.
2. Therapie des Nabelbruchs
Prinzipiell können die ersten beiden Lebensjahre abgewartet werden. Bei ca. 80% der Kinder verschließt sich in diesem Zeitraum der meist kleine Bauchwandbruch spontan. Die Operation wird bei bleibendem Nabelbruch bei Mädchen empfohlen, da der Nabelbruch später bei Schwangerschaften Probleme bereiten kann. Bei Jungen handelt es sich eher um kosmetische Gründe. Die Operation erfolgt über einen kleinen halbkreisförmigen Hautschnitt im Unterrand des Nabels, der später kaum sichtbar ist. Auch hier kann der Eingriff ambulant erfolgen, sofern keine schwerwiegenden Grunderkrankungen an Herz und Lunge vorliegen.
3. Therapie der epigastrischen Hernie
Bei der epigastrischen Hernie kann abgewartet werden, bis Beschwerden auftreten. Ein spontaner Verschluss ist allerdings nicht zu erwarten. Die Operation erfolgt über einen kleinen Hautschnitt. Die Lücke in der Muskelhaut wird freigelegt und der Bauchwandbruch mit einer doppelten Nahtreihe verschlossen. Der Eingriff erfolgt in der Regel ambulant.
4. Therapie von Zwerchfellhernie, Omphalocele und Gastroschisis
Die Versorgung dieser Bauchwandbrüche wird in Spezialkliniken direkt nach der Geburt durchgeführt. Die Kinder sind im Anschluss meist über einen längeren Zeitraum in der Klinik. Die Prognose hängt wesentlich von den jeweiligen Begleitfehlbildungen ab. Diese großen Bauchwandbrüche im Kindesalter an sich sind mit den modernen Operationsverfahren und der intensivmedizinischen Nachbetreuung meist gut beherrschbar.
Insgesamt macht die Therapie der Bauchwandbrüche einen großen Prozentsatz aller Operationen im Kindesalter aus. Durch die sorgfältigen und gewebeschonenden Operationstechniken und die modernen Anästhesieverfahren können die meisten Eingriffe in der Zwischenzeit ambulant durchgeführt werden. Die Kinder können sich im Anschluss an die Operation in ihrer gewohnten Umgebung wesentlich stressfreier und schneller erholen. Die postoperativen Risiken sind in der Regel gering und gut beherrschbar. Meist reicht eine kurzzeitige Schmerztherapie für 2-3 Tage aus. Welche Operationsverfahren der Bauchwandbrüche für Ihr Kind in Frage kommen und ob der Eingriff ambulant oder stationär erfolgen kann, wird eine ausführliche Anamnese und Untersuchung Ihres Kindes bei einem kinderchirurgischen Spezialisten ergeben.
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Priv.-Doz. Dr. med. Hans Albert Beiler
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