von Priv.-Doz. Dr. med. Hans Albert Beiler
Ein Großteil der ambulanten kinderchirurgischen Operationen betrifft das Gebiet der Kinderurologie. Die meisten urologischen Fehlbildungen sind angeboren oder treten bereits kurz nach der Geburt auf. Ihre Therapie ist unterschiedlich dringlich. Bei der Phimose zum Beispiel, einer angeborenen Verengung der Vorhaut, sowie bei den angeborenen Wasserbrüchen kann in der Regel abgewartet werden, während beim Hodenhochstand, der Fehllage eines oder beider Hoden, frühzeitig gehandelt werden muss, um die spätere Fertilität zu erhalten. Das Gebiet der urologischen Eingriffe deckt ein breites Feld der kindlichen Fehlbildungen ab und ist daher von zentralem Interesse in der ambulanten Kinderchirurgie.
Die häufigsten Ursachen für ambulante urologische Eingriffe im Kindesalter sind:
1. Die Phimose und ihre Versorgung
Bei der Phimose besteht eine Verengung der Vorhautöffnung, so dass die Vorhaut nicht oder nur teilweise zurückgezogen werden kann. Häufig ist die Verengung noch mit einer Verklebung der Vorhaut mit der Eichel kombiniert. Im ersten Lebensjahr ist die Vorhautenge noch physiologisch, zum Schutz der empfindlichen Eichel. Im weiteren Verlauf sollte sich die Vorhaut spontan weiten und die Verklebungen verschwinden. Allerdings verzögern sich die Weitung und Lösung bei vielen Jungen deutlich. Als Richtlinie gilt, dass beim beschwerdefreien Kind bis zum 8.-10. Lebensjahr abgewartet werden kann. Bei persistierendem Befund sollte spätestens dann ein ambulanter urologischer Eingriff erfolgen.
Bei Problemen, wie rezidivierenden Entzündungen, Harnwegsinfektionen oder bei Behinderung des Wasserlassens, muss schon früher interveniert werden. Bei manchen Jungen kommt es durch Entzündungen oder einer spezifischen Hauterkrankung, dem Lichen sclerosus, zu einer sekundären, narbigen Verengung der Vorhaut. Auch in diesem Fall ist ein ambulanter urologischer Eingriff zu empfehlen. An konservativen Therapiemethoden steht nur die Therapie mit einer kortisonhaltigen Salbe zur Verfügung. Bei der operativen Therapie wird die Vorhaut entweder über einen Hautschnitt erweitert, teilweise oder komplett entfernt.
2. Der Hodenhochstand und seine Versorgung
Die Fehllage eines oder beider Hoden ist ebenfalls meistens angeboren. Allerdings wandelt sich ein Teil der sogenannten Pendel- oder Schlupfhoden im Kindesalter noch zu einem echten Hodenhochstand um, so dass Verlaufskontrollen immer notwendig sind. Die echten Hodenfehllagen werden unterschieden in Gleithoden, Leistenhoden, ektope Hoden und Bauchhoden. Beim Gleithoden lässt sich der Hoden zwar unter Spannung bis ins Hodensäckchen ziehen, rutscht aber sofort wieder nach oben. Beim Leistenhoden liegt der Hoden im Leistenkanal. Beim Bauchhoden ist der Hoden nicht tastbar. Man spricht deswegen auch von einem Kryptorchismus. Der ektope Hoden kann an verschiedenen Stellen, zum Beispiel im Dammbereich oder auch an der Peniswurzel liegen. Ziel der Therapie ist es den Hoden an den richtigen Ort zu bringen. Ist der Befund bereits nach der Geburt bekannt, kann bis zum 6. Lebensmonat zugewartet werden. Ist der Hoden dann nicht deszendiert, sollte eine Hormontherapie eingeleitet werden. Kommt es auch damit zu keinem Abstieg des Hodens ins Hodensäckchen, muss ein ambulanter urologischer Eingriff durchgeführt werden. Der Hoden sollte bis zum Ende des ersten Lebensjahres im Hodensäckchen sein, um einer späteren Unfruchtbarkeit vorzubeugen. Beim sekundären Hodenhochstand sollte die Therapie so schnell wie möglich nach der Diagnosestellung durch einen erfahrenen Kinderchirurgen erfolgen. Am häufigsten wird die Operation nach Schoemaker durchgeführt. Hierbei wird der Hoden zuerst freipräpariert und anschließend in eine Bindegewebstasche im Hodensack verlagert und dort fixiert. Dabei werden der Samenstrang und die versorgenden Gefäße geschont. Beim Bauchhoden ist meist ein zweizeitiger Eingriff erforderlich. Diese Operation nach Fowler-Stephens wird meistens im Krankenhaus durchgeführt, während die normale Hodenverlagerung in der Regel als ambulanter urologischer Eingriff erfolgt.
3. Die Hydrozelen und ihre Versorgung
Die Hydrozelen oder auch Wasserbrüche sind ebenfalls meist angeboren. Über einen dünnen Verbindungsgang der Bauchhöhle zu den Hodenhüllen läuft Wasser, das natürlicherweise in der Bauchhöhle gebildet wird, in die Hodenhüllen und weitet diese aus. Es gibt mehrere Formen: Die Hydrozele testis, den Wasserbruch der Hodenhüllen, die Hydrozele funiculi spermatici, den Wasserbruch im Verlauf des Samenstranges und als Sonderform davon, die Hydrozele des Nebenhodens. Auch beim Mädchen gibt es Wasserbrüche. Hier spricht man von einer so genannten Nuck’schen Zyste, einer wassergefüllten Zyste im Bereich des Leistenkanales. Da sich ein Großteil der Wasserbrüche des Hodens spontan zurück bildenund die Wasserbrüche insgesamt keine Gefahr für das Kind darstellen, selbst wenn sie sehr groß sind, kann prinzipiell bis zum Ende des zweiten Lebensjahres zugewartet werden. Danach ist eine spontane Rückbildung nicht mehr zu erwarten und der ambulante urologische Eingriff kann geplant werden. Manchmal treten Wasserbrüche erst später auf und müssen dann ebenfalls operiert werden. Der Eingriff erfolgt im Kindesalter praktisch immer über einen Schnitt in der Leiste, um einen Verbindungsgang zur Bauchhöhle sicher zu unterbinden. Anschließend wird der Hoden mit seinen Hüllen nach oben in den Leistenkanal geschoben und die Hodenhüllen werden großzügig gefenstert, damit die Flüssigkeit ablaufen kann. Wasserbrüche des Nebenhodens werden meist nur entdeckelt, um den Nebenhoden zu schonen. Der Wasserbruch des Samenstranges und die Nuck’sche Zyste werden in der Regel durch einen ambulanten urologischen Eingriff komplett entfernt.
4. Die Hypospadien und ihre Versorgung
Die Hypospadien sind Fehl- oder Missbildungen der Harnröhre im Kindesalter in unterschiedlichem Ausmaß. Dabei liegt die Öffnung der Harnröhre nicht an der Spitze der Glans sondern darunter. Bei den schlimmsten Formen liegt die Harnröhrenöffnung zwischen dem zweigeteilten Hodensack und der Penis ist nur als Mikropenis angelegt. Bei den mildesten Formen ist der Penis weitestgehend normal angelegt, nur die Vorhaut ist zweigeteilt und die Öffnung der Harnröhre liegt noch auf der Eichel oder in der Kranzfurche der Eichel. Bei den milden Formen ist auch ohne Operation eine spätere Fortpflanzungsfunktion gegeben, während bei den ausgeprägten Formen ohne Operation keine Fortpflanzungsfähigkeit besteht. Je nach Befund sind eine oder mehrere ambulante urologische Eingriffe zur Wiederherstellung der normalen Funktion des Penis nötig. Die Harnröhre muss mit körpereigenem Material rekonstruiert werden. Hierfür bietet sich Gewebe von der Schafthaut, dem inneren Vorhautblatt oder der Mundschleimhaut an. Da häufig auch eine Verkrümmung des Penisschaftes besteht, muss diese ebenfalls beseitigt und der Schaft aufgerichtet werden. Eine Erhaltung der Vorhaut ist nicht immer möglich. Je ausgeprägter die Hypospadie ist, umso früher sollte der urologische Eingriff durchgeführt werden. Bei den milden Formen kann ein ambulanter urologischer Eingriff vor der Einschulung erfolgen. Wann der geeignetste Operationszeitpunkt und welche der Operationsmethoden die Beste ist, kann nur ein erfahrener Kinderchirurg nach eingehender Untersuchung festlegen. Nicht immer können der oder die urologischen Eingriffe ambulant durchgeführt werden. Bei dieser Übersicht wurde nur auf die häufigsten ambulanten urologischen Eingriffe im Kindesalter eingegangen. Entscheidend für die Therapie und die Prognose aller kinderurologischen Erkrankungen sind die Kompetenz und die Erfahrung des behandelnden Arztes, der den geeigneten ambulanten urologischen Eingriff für das Kind festlegen, durchführen und den Therapieerfolg im Verlauf überwachen muss.
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