von Priv.-Doz. Dr. med. Hans Albert Beiler
Auch im Kindesalter gibt es eine plastische, ästhetische und rekonstruktive Chirurgie. Da es sich bei den Kindern in der Regel um Eingriffe handelt, die medizinisch indiziert sind, werden die Kosten von den Krankenkassen auch übernommen. Die plastische Chirurgie im Kindesalter soll funktionelle Einschränkungen oder entstellende körperliche Missbildungen korrigieren, damit das Kind nicht von den anderen Kindern ausgegrenzt oder gequält wird und sich altersgerecht körperlich und psychisch entwickeln kann.
Die plastische Chirurgie im Kindesalter stellt eine besondere Herausforderung an den Operateur dar, der eine entsprechende Ausbildung und Erfahrung besitzen muss. Für die Eltern ist es oft schwierig, sich für einen geeigneten Arzt zu entscheiden. Kriterien für die Arztwahl sind die Häufigkeit, mit der die jeweilige Operation durchgeführt wird. Nicht selten hat der Arzt auch Bildmaterial, so dass die Eltern sich das Ergebnis nach der Operation besser vorstellen können. Letztlich sollten sich die Eltern in einem ausführlichen Gespräch beraten lassen und sich für den Arzt ihres Vertrauens entscheiden.
Die typische plastische Chirurgie im Kindesalter betrifft
1. Abstehende Ohren und ihre Versorgung
Bei den abstehenden Ohren handelt es sich um eine angeborene Ohrmuscheldysplasie. In der Regel hat sich die so genannte Anthelixfalte des Ohrknorpels nicht gebildet. Häufig besteht zusätzlich eine Vergrößerung und Verkippung der Ohrmuschel selbst. Der Ohr-Kopf- Abstand beträgt dadurch über 2 cm und der Ohr-Kopf-Winkel liegt über 30°. Manchmal liegen zusätzlich Missbildungen, z. B. eine unterschiedliche Größe beider Ohren oder eine ungenügende Helixausbildung vor.
Da der Ohrknorpel bis einschließlich des 5. Lebensjahres wächst, sollten die Operationen erst danach durchgeführt werden. Die plastische Chirurgie im Kindesalter erfolgt in der Regel in Narkose. Normalerweise werden beide Ohren in der gleichen Narkose korrigiert. Es gibt unterschiedliche Operationsmethoden, die letztlich alle dazu dienen, die Anthelixfalte zu rekonstruieren und das Ohr näher an den Kopf zu bringen. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass das Ohr nach der Operation natürlich aussieht. Die Operationen werden meistens über einen Hautschnitt am Hinterrand des Ohres durchgeführt, der später nicht oder kaum zu sehen ist. Ein zu starkes Einklappen des Ohrrandes sowie Hautresektionen hinter dem Ohr sind zu vermeiden. Die plastische Chirurgie der Ohren im Kindesalter erfolgt meist ambulant und die Nachsorge ist in der Regel problemlos.
2. Entstellende Muttermale und Hämangiome und ihre Versorgung
Manche Kinder werden mit großen und teilweise stark behaarten Muttermalen, Feuermalen oder Hämangiomen geboren. Diese angeborenen Fehlbildungen sind in der Regel harmlos, konfrontieren aber je nach Lage zuerst die Eltern und später die Kinder mit psychosozialen Problemen und Ausgrenzung. Gerade im Gesichtsbereich und an den Händen muss daher frühzeitig interveniert werden. Das Gleiche gilt für den Genitalbereich, auch wenn dieser natürlich nicht äußerlich für jeden sichtbar ist.
Für die plastische Chirurgie der einzelnen Fehlbildungen im Kindesalter stehen unterschiedliche Methoden zur Verfügung. Muttermale und insbesondere die stark behaarten Tierfellnävi werden operativ reseziert. Je nach Größe sind dafür manchmal mehrere Eingriffe notwendig. Feuermale sind meist sehr ausgedehnt. Es handelt sich um oberflächliche Blutkapillaren, die sehr gut auf eine Laser-Therapie ansprechen. Meist sind multiple Therapiesitzungen notwendig. Die Hämangiome sind die häufigsten gutartigen Geschwulste im Kindesalter. Meist treten sie kurz nach der Geburt auf und wachsen dann bis etwa zum 6.-8. Lebensmonat. In der Regel bilden sie sich im Verlauf der nächsten 2-3 Jahre langsam wieder zurück. Deswegen muss nur bei entstellenden Hämangiomen im Gesicht, an den Händen und den Füßen und im Genitalbereich frühzeitig interveniert werden. Für die plastische Chirurgie der Hämangiome im Kindesalter bieten sich die Kryochirurgie und die Laser- Therapie an. Je nach Bereich und bei Beteiligung des Subkutangewebes stellt die operative Entfernung des Hämangiomes die Methode der Wahl dar.
3. Gynäkomastie und ihre Versorgung
Bei der Gynäkomastie handelt es sich um eine ein- oder beidseitige Vergrößerung der Brustdrüse des Jungen in der Pubertät. Die Befunde können so ausgeprägt sein, dass die betroffenen Jungen sich weigern ins Schwimmbad zugehen oder am Sportunterricht teilzunehmen, um nicht gehänselt zu werden. Meist werden sogar im Sommer weite Sweatshirts getragen um die vergrößerte Brust zu verstecken. Bei vielen besteht der Befund bereits über Jahre und bei einer großen Anzahl bilden sich die vergrößerten Brustdrüsen auch nach der Pubertät nicht mehr zurück.
Um den Betroffenen eine normale Jugend zu ermöglichen, können die vergrößerten Brustdrüsen durch plastische Chirurgie entfernt werden. Dies geschieht in der Regel über einen kleinen halbkreisförmigen Schnitt direkt am Unterrand der Brustwarze, der später kaum sichtbar ist. Über diesen Schnitt wird in Narkose die vergrößerte Brustdrüse komplett entfernt und im Anschluss histologisch untersucht. Die Operation wird ambulant durchgeführt. Komplikationen sind extrem selten und die Patienten sind bereits einen Tag nach der plastischen Chirurgie in der Regel weitestgehend schmerzfrei.
4. Korrektur entstellender oder funktionsbeeinträchtigender Narben und ihre Versorgung
Nach Unfällen, Stürzen aber auch nach Operationen kommt es gelegentlich zu entstellenden oder funktionsbeeinträchtigenden Narben, die korrigiert werden müssen. Dies trifft ganz besonders im Gesicht und an den Händen zu. Weitere sehr wichtige Areale sind der Hals und das Dekoltee sowie der Brustbereich der Frau. Gelenkübergreifende Narben können zu Gelenkkontrakturen führen. Verbrennungsnarben neigen zu Kontrakturen und zur Narbenkeloidbildung. Gerade im Kindesalter können Narben zu einem bleibenden Fehlwachstum mit nachfolgender Fehlfunktion führen. Bei der geplanten plastischen Chirurgie im Kindesalter ist es sehr wichtig, dass man die natürlichen Spaltlinien der Haut beachtet und den Hautschnitt, wenn möglich, so legt, dass er die Hautspaltlinien nicht kreuzt. So vermeidet man Narbenkeloide. Korrigiert man Narben durch plastische Chirurgie, speziell bei gelenkübergreifenden Narben, sollten Verschiebeplastiken angewendet werden, um den geraden Narbenverlauf zu durchbrechen. Wichtig sind die Entlastung der Narbe durch subkutane Mobilisation der Haut und Subkutannähte, die die Spannung der Haut selbst vermeiden. Meist ist eine länger dauernde Nachbehandlung mit Kompressionsverbänden, Silikonauflagen oder speziellen Narben-Gelen nicht zu vermeiden.
Operation und Nachbehandlung im Kindesalter gehören in die Hände eines in der plastischen Chirurgie erfahrenen Kinderchirurgen. Welche plastische Chirurgie für das jeweilige Kind geeignet ist kann nur nach ausführlicher Untersuchung und Anamnese festgelegt werden. Die Eltern müssen dabei ausführlich aufgeklärt und insbesondere in die teilweise langwierige Nachbehandlung einbezogen werden.
Auch im Kindesalter hat die plastische, ästhetische und rekonstruktive Chirurgie ihren Platz. Medizinisch indizierte, also notwendige Eingriffe sind zu befürworten. Die plastische Chirurgie im Kindesalter erlaubt den betroffenen Kindern eine normale Entwicklung, ohne dass sie von anderen Kindern ausgegrenzt oder gequält werden. Die Operationen gehören in die Hände eines erfahrenen Kinderchirurgen, der den jeweiligen Eingriff häufig durchführt, sich auf dem Gebiet der plastischen Chirurgie im Kindesalter fortbildet und sich auf dem technisch aktuellen Stand befindet.
Beitrag yourFirstmedicus TV vom 11.01.2011
Video, 09:26 Minuten
Operationen bei Kindern
Vor einigen Jahren waren viele Operationen bei Kindern nur durch einen mehrtägigen Klinikaufenthalt möglich.
Heute können auch viele Operationen ambulant durchgeführt werden.
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